neue hanauer zeitung Sonderausgabe: Atomzentum Hanau (November 1986)


»Für den, der herrscht, ist jeder, der ihm widerspricht, ein Gewalttäter«

Anti-Akw-Bewegung und Gewerkschaften zeigten in den vergangenen Jahren wenig gemeinsames Handeln, standen sich vielmehr argumentativ und nicht selten auch körperlich gegenüber - wie Ende der 70er Jahre im Dortmunder Westfalenstadion, als die Gewerkschaftsbosse ihren Pro-Atom-Kurs massenhaft dokumentieren ließen (übrigens unter Hauptbeteiligung der Hanauer Nuklearbeleg- schaften). Dort wurde auch schon mal auf Atomgegner eingeprügelt. Im 77er Jahr spielten sich fast identische Szenen bei einer Pro-Atom-Kundgebung auf dem Hanauer Marktplatz ab. Ähnliche Situationen gab es im Fall des fast schon vergessenen, als Dreckschleuder der Nation bezeichneten Kraftwerks Buschhaus. Arbeitsplätze um jeden Preis. Jetzt, nachdem die in der sozialen Partnerschaft verfangenen Gewerkschaftsfunktionäre von Kabinett und Kapital diese Partnerschaft aufgekündigt bekommen (siehe Paragraph 116 AfG), werden gemeinsame Gegner langsam erkannt. Nicht nur der Anti-Akw-Bewegung weht eine kalte Offensive der Unternehmermafia und ihrer politischen Helfershelfer in Form der aufgezwungenen Gewaltdiskussion entgegen, auch die Gewerkschaften sind zu Feinden des Fortschritts erklärt. Ihre Kampfkraft soll entscheidend gebrochen werden. Chance für eine Zusammenarbeit zwischen der Arbeiter- und der neuen sozialen Bewegung? Beide erkennen die Grenzen ihrer traditionellen Kampfformen. Die nhz sprach mit Reinhold Winter; einem kampferprobten Gewerkschafter; über die Perspektiven der kommenden Auseinandersetzungen und darüber; ob diese gewaltig und/oder gewaltvoll sein werden. Die Reinhold so eigene schnoddrische Offenbacher Arbeitersprache kann in diesem Interview (leider) nicht wiedergegeben werden. Für die nhz stellten die Fragen Eberhardt Stickler und Piet Dunkel.
 

Interview mit Reinhold Winter zu gemeinsamen Problemen von Gewerkschafts- und Anti-AKW-Bewegung

nhz: Reinhold, geht in diesem Lande alle Gewalt vom Volk aus?

Reinhold: Das mit Sicherheit nicht. Es ist vielmehr so, daß es wohl kein Staatsgebilde und keine Administration gibt, die in Selbstbestimmung die Gewaltenbildung dem Volk überläßt.

Die Gewaltdiskussion in breiten Teilen der Bevölkerung, der Öffentlichkeit dreht sich immer nur um Demonstranten. Die Gewalt, die vom Staat, wenn er Emanzipation niederprügelt, oder von Unternehmen gegen Menschen und Natur ausgeht (Aussperrung/ Vergiftung), scheint in den Köpfen tabu zu sein. Warum ist das so?

Weil Macht immer noch auf Gewalt beruht. Solange die Menschen kein Verhältnis zueinander gefunden haben, nicht über ein Bewußtsein verfügen, daß jeder seine Freiheit sucht, ohne die Freiheit des anderen zu verletzen, solange werden diejenigen, die ihre Interessen am deutlichsten manifestieren können, zusehen, daß sie sich ein Gewaltmonopol sichern. Klar, die Gewalt-ausübung kann nicht einfach jedem Einzelnen überlassen werden, weil sonst - unter den heutigen Lebens- und Bewußtseinsbedingungen der Menschen - alle aufeinander einschlagen würden. Insofern kann die staatliche Verwaltung von Gewalt noch als durchaus sinnvoll begriffen werden.

Gedanken von Otto Schily zur Gewaltdiskussion?

Ja, vom Otto Schily. Völlig irrational wird es aber, wenn ein mickeriger Demonstrant mit einem Pappschild in der Hand vor einem bis an die Zähne bewaffneten Militärmoloch aus Panzern und Raketen steht - ihr kennt dieses Bild - und dann als Gewalttäter bezeichnet wird. Das ist idiotisch, nicht mehr begreifbar für mich. Die Verurteilung dieses einzelnen, des Pappschildträgers, des Demonstranten, hat natürlich in den Köpfen der Herrschenden ihre eigene Logik. Es könnte ja jemand auf die Idee kommen, den gesamtgesellschaftlichen Konsens - der Staat darf prügeln, schlagen, strafen und auch totschießen - infragezustellen. Von daher muß es wohl so sein, daß bei allen Machtverhältnissen, die es gibt, die Gewalt des Staates erst einmal legitimiert wird, nicht als Gewalt bezeichnet wird, sondern als Ordnung, als Sicherheit. Jeder, der das auch nur ein Stück weit infragestellt, wird als Gewalttäter bezeichnet. Das Schlimme daran ist, daß in einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik der Staat die Frage der Gewalt gerade so benutzt, wie er es braucht. Heute ist es so, daß der Bürger wählen darf und somit ein wenig an der Gewaltbildung teilnimmt und morgen, wenn irgendwelche Konzerne irgendwelche Interessen haben, schlägt die gleiche staatliche Gewalt gegen die existenziellen Interessen der Bürger, wie Gesundheit, Lebensunterhalt und Selbstbestimmung zurück.

Das gilt ja auch für die Anti-AKW-Bewegung. Im Trägerkreis, der den gemeinsamen Aufruf für die Hanauer Demo entworfen hat, störte das sogenannte gewaltfreie Spektrum vor allem der Satz "Seit den Bauplatzbesetzungen von Whyl und Brockdorf hat sich die Vielfältigkeit, Radikalität und Unberechenbarkeit unseres Widerstandes als wesentliche Stärke der Anti-AKW-Bewegung erwiesen". Der Satz sollte gestrichen werden. Was hälst Du davon?

Ich halte das für äußerst hirnrissig, weil man nicht einfach hergehen kann und Menschen, die ihre Ängste und Nöte nicht mehr anders zu lösen wissen als durch Aktionen am Bauzaun oder ähnliches, aus-grenzen kann. Wir haben eine sehr hohe Krebsrate in der BRD. Diese massive Bedrohung unserer menschlichen Existenz ruft natürlich ein Recht auf Notwehr hervor. Damit will ich nicht sagen, daß jetzt Konzepte erarbeitet werden müssen, wie noch militanter und gezielter vorgegangen werden kann. Nur, wer glaubt, sich anpassen zu müssen, indem er sich von gewissen Gewalttätern distanziert, wer glaubt damit für seinen Kampf bessere Voraussetzungen zu schaffen, der läßt völlig außer acht, daß es heute schon so weit ist, daß jeder, der überhaupt nur infragestellt und sagt "ich mache da nicht mehr mit", als Gewalttäter denunziert wird. Wenn wir uns schon bei dieser groß angelegten Offensive in der Gewaltfrage auseinanderdividieren lassen, wie soll es dann in Zukunft möglich sein, irgendwelche Kritik zu entwickeln? Ich halte in dieser Republik für besonders schlimm, daß die Berichterstattung nur dann funktioniert, wenn es Knatsch gibt. Dann sind die Medien voll. Wenn aber jemand brav sein Pappschildchen durch die Gegend trägt, dann heißt es: "Der nimmt halt sein demokratisches Recht wahr" und das war's dann schon. Ich will hier nicht jede Gewaltform gutheißen, aber sich darauf zu versteifen, daß unter uns ausgesiebt wird, wer gut und wer schlecht ist, da mach' ich nicht mit.

Die sogenannten Gewaltfreien argumentieren immei; die Bewegung müsse sich verbreitern, die Lohnabhängigen, die einfachen Leute müßten gewonnen werden. Deshalb müsse bei Demos alles ruhig verlaufen. Ist das der richtige Weg, die Menschen von unseren Inhalten zu überzeugen und sie zum Handeln zu bewegen?

»Wenn sich einer empört über Gewalt, 
muß er das grundsätzlich tun«

Wie verändert sich das Bewußtsein von Menschen? Gewalt wird mit Sicherheit nicht das Bewußtsein der Menschen in unserem Sinne verändern. Aber genausowenig das Demonstrieren als solches. Menschen in ihrem Bewußtsein dazu zu bewegen, daß sie sich zu bestimmten Dingen zu verhalten haben, ist in unserer industrialisierten und im Bewußtseinselend verkümmerten Gesellschaft ein äußerst komplizierter Prozeß, der nur in einer ganz mühevollen, jahrelangen Kleinarbeit bewerkstelligt werden kann, und dann an bestimmten Punkten seinen Ausdruck in Großdemos und in anderen Reaktionen findet, die dann auch "gewaltvoll" genannt werden. Wenn sich einer empört über Gewalt, dann muß er das aber auch grundsätzlich tun. Die Empörung muß sich auch gegen die richten, die die Auslöser von Gewalt sind. Es geht nicht, nur zu sagen: "Sperrt die Chaoten ein, erlaßt neue Gesetze" und gleichzeitig tritt der Wallmann als Bundesminister auf und verniedlicht und vernebelt die Ursachen der Gewalt. Oder Franz Josef Strauß, nach Tschernobyl auf die Gefahren angesprochen, die seiner schwangeren Tochter drohen, sagt, das sei alles Käse, die ganze Bedrohung gäbe es nicht. Wenn man so auftritt, dann ist das zu verurteilen. Es gibt oft ein großes Vertrauen in den Staat bei solchen Sachen. Dabei ist beispielsweise der Strauß mit Sicherheit keiner, der bis ins Letzte die Funktionsweise der Nukleartechnik kennt. Auch ich kann nicht in allen Punkten nachvollziehen, was machbar ist und was nicht. Da ist im Prinzip mein Kenntnisstand nicht viel größer als der von jedem Befürworter der Atomtechnologie. Die sind ja oft so dumm wie Bohnenstroh, die Kerle. Solange das Risiko, das in so einer Technik steckt, nicht faßbar ist, das gilt auch für das berühmte Restrisiko, ist es ein Verbrechen, zu sagen "das kriegen wir schon hin, da wird schon nichts passieren". Der Vollzug der administrativen Gewalt ist heute in seiner Wirkung unter Umständen so gigantisch und steht in keinem Verhältnis zu den Aktionen der sogenannten Gewalttäter am Bauzaun.

Wenn das so ist, muß dann nicht verstärkt die Forderung diskutiert werden -vor allem in den Gewerkschaften -, solche Techniken dürfen nur eingeführt werden, wenn ihre Ungefährlichkeit bewiesen ist, also eine Umkehrung der Beweislast?

Das ist richtig. Da gibt es ein gutes Beispiel aus dem Druckbereich. Wir haber die UV-Trocknung abgelehnt, weil die Arbeitgeber nicht nachgewiesen haben, daß sie für uns Arbeiter unschädlich ist. Wir haben gesagt, der Kram bleibt draußen. Für irgendwelche idiotischen Pappschachteln Menschenleben zu gefährden, ist Blödsinn und aberwitzig. Wenn da jemand mit Humanität kommt ... Die Gewerkschaften sind aber auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Von daher muß man fordern, daß ein gewaltiger Diskussionsprozeß in den Gewerkschaften stattzufinden hat - zum Arbeits- und Produktivkraftbegriff, zu der Frage, ob Arbeiter wie in der Vergangenheit, nur ihren Körper zu Markte tragen. Sie dürfen nicht ihr ganzes Wesen, ihre ganze Selbstbestimmung immer mehr auflösen lassen, durch neue Techniken. In diesem Zusammenhang wird die Frage des Gewaltmonopols eine ganz große Rolle spielen.

Wie meinst Du das?

Reinhold: Das ist doch in der Arbeiterbewegung ein alter Hut. Wie setzen wir unsere Rechte durch und rulen dabei möglichst wenig Leid hervor. Die Diskussion hierüber muß verstärkt in den Gewerkschaften geführt werden, auch wenn sie in den letzten Jahren nicht die große treibende Kraft in den emanzipatorischen Bewegungen gespielt haben. Nur wenn diese Diskussion in den Gewerkschaften geführt wird, werden auch die neuen sozialen Bewegungen auf Dauer erfolgreich bleiben. Alleine schaffen es diese Bewegungen nicht. Die Frage, was Gewalt ist, muß dabei gerade auch im Produktionsprozeß, an der Produktion selbst diskutiert werden.

Deuten sich durch die neuen Techniken die Grenzen des traditionellen Streiks an?

Die Frage, ob künftig Arbeitskämpfe geführt werden, ist wichtig, muß aber sehr differenziert gesehen werden. Die Forderung nach Betriebsbesetzungen aus der Gewerkschaftsbasis heraus zeigt, daß sich etwas tut. Die Gewerkschaften müssen wissen, wenn sie für bestimmte Interessen eintreten, daß sie mit staatlicher Gewalt ganz massiv belegt werden. Sie müssen sich künftig wieder auf Widerstandskonzepte, wie sie in der Arbeiterbewegung Tradition haben, verlassen oder aber sie werden sich im "rappischen" Stil (nach Herrmann Rappe/Vorsitzender der IG Chemie/ d. Red.) von den Sachzwängen der Unternehmer unterbuttern lassen. Wenn die Kumpels im Betrieb nicht mehr sehen, wie sie sich gegen die neuen Technologien wehren und ihre Arbeitsplätze erhalten können, weil ihre Gewerkschaft sagt "hier sind uns Grenzen gesetzt", dann verlieren immer mehr Leute ihre gewerkschaftliche Identität. Das wird seinen Ausdruck in der Schwächung oder sogar der Auflösung der Kampfkraft der Gewerkschaften finden.

Werden die Kolleginnen und Kollegen neuen Formen des Streiks so einfach folgen, nachdem sie jahrzehntelang auf soziale Partnerschaft getrimmt wurden. Eine Betriebsbesetzung oder ein Streik mit flexiblen Aktionsformen erfordert doch ein ganz anderes Bewußtsein?
 

»Andere Produktionsverhältnisse
verlangen andere Kampfformen«

Ich selbst stehe der neuen Streikstrategie sehr skeptisch gegenüber. Wer hätte daran gedacht, daß wir 1984 so einen erfolgreichen Arbeitskampf führen würden, daß wir in Frankfurt doch sehr konsequent erreicht haben, daß über zwei Wochen keine Zeitungen mehr erschienen sind - bei schlechten Urabstimmungsergebnissen und Kritik gerade aus der linken Ecke. Haben die Linken nicht damals gesagt: "Die Gewerkschaften bescheißen doch nur, da kommt nichts dabei heraus". Ich denke, solche neuen Streikkonzepte müssen gut durchdacht werden. Wie es nachher in der Realität klappt, ist eine andere Frage. Klar ist, wir können nicht nur sagen "wir machen einen Arbeitskampf, wie wir ihn jahrzehntelang geführt haben". Unter geänderten Produktionsverhältnissen werden wir auch andere Kampfformen finden müssen. Nur das Für und Wider muß die konkrete Situation zeigen.

Sind Betriebsbesetzungen Gewalt?

Von der herrschenden Rechtsauffassung her, gibt es sicherlich genug Argumente, dies zu behaupten. Aber, um es mal ganz grob zu sagen: Für den, der herrscht, ist jeder, der ihm widerspricht, ein Gewalttäter. Wir alle haben dafür zu kämpfen, daß in der Öffentlichkeit, in der Öffentlichkeit der Beherrschten, ein Kampf um die Köpfe entsteht. Die Leute müssen lernen, wenn sie sich vors Betriebstor stellen, sind sie noch lange keine Gewalttäter, auch wenn einige es ihnen immer wieder einreden wollen. Immer wenn Gewerkschaften Widerstand geleistet haben, waren sie den Herrschenden suspekt. Daß wir von dieser Seite als Gewaltäter bezeichnet werden, darüber müssen wir uns hinwegemanzipieren. Leider gibt es zu diesem Thema im DGB noch keinen Konsens.

Ist es nicht so, daß es immer mehr Bereiche geben wird, in denen es ein hohes Lohn-niveau und eine große Identität mit der Arbeit und dem Produkt gibt - der ganze High-Tech-Komplex - wo unweigerlich gelbe. Gewerkschaften entstehen. Wir haben in Hanau die Erfahrung gemacht, daß unter verschärften Sicherheitskriterien und unter den Bedingungen desAtomstaats, die einzelnen Kollegen derart kontrolliert arbeiten, daß kaum eine Chance für emanzipatorische, solidarische Gewerkschaftsarbeit besteht.

»Kernkraft hin, Kernkraft her, 
wir wollen gesicherte Arbeitsplätze«

Wenn die Gewerkschaften kein anderes Bewußtsein über Produktivkraft und den Wert der Arbeit als solchen schaffen, liefern sie sich selbst der Vernichtung aus. Ich sehe da eine ganz gefährliche Tendenz. Nehmen wir da mal die IG Chemie, deren Funktionäre nichts mehr anderes im Kopf haben, als die Rechtfertigung der unternehmerischen Produktivkräfte, und damit meinen die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Die IG Chemie gehört heute zu den kampf-schwächsten Gewerkschaften im DGB. Was hat sie fertiggebracht zum 116? Die IG Chemie ist schon heute nicht mehr fähig, gescheite Kämpfe zu führen. Nur, so eine Entwicklung ist kein Selbstlauf. Ich kenne auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Kernkraftwerkbau, die der Atomtechnologie sehr kritisch gegenüberstehen. Die sind aber noch in der Minderheit. Ich bin sicher, daß sie aus dieser Minderheitenposition gestärkt hervorgehen, weil sie zu einer wichtigen Frage diskussionsbereit sind. Kernkraff hin, Kernkraft her, wir wollen nicht, daß unsere Arbeitsplätze beseitigt werden. Die fragen, "Unternehmer, was hast Du mit uns vor?" Solche Kolleginnen und Kollegen werden auch in der Diskussion von Atomkraffgegnern akzeptiert werden.

....... wem sagst Du das...

.... nur ich lasse mich nicht dazu benutzen, herzugehen und zu sagen: Widerstand ja, aber bis zu einem gewissen Punkt und dann geht die Gewaltdiskussion los. Di Diskussion über Gewalt und Widerstand ist ein Reflex auf die bestehende Gewalt. Wen ich mir die USA anschaue, ist das für mich das gewaltvollste Land auf der Erde. Die Kri minalität, die dort herrscht, ist nichts anderes als ein primitiver Klassenkampf. Ein Klassenkampf zwischen Privilegierten und Unterprivilegierten, der mit Blut und Terro ausgetragen wird. Soll ich mich jedesmal fragen, ob der Terror, der von oben ausgeht korrekt und der, der von unten kommt, unkorrekt ist? Das ist Blödsinn. Die Frage lautet doch: Was ist in einer Gesellschaft falsch wenn Menschen meinen, nur noch über Gewalt ihre Lebens- und Daseinsberechtigung unterstreichen zu können?

Es ist doch so, daß unsere Aktivitäte, immer aus der Defensive stattfinden, im Widerstand gegen die herrschende Gewalt Das bestimmt sehr stark unsere Kampiformen. Es gibt ja in unserem Spektrum bereits Leute, die sehen alles Heil des Widerstandes in einer Regierungskoalition. Gibt es Wege aus dieser Defensive?

»Es ist ein großer Mangel unserer Zeit, 
daß Wir theoriearm und utopieschwach sind«

Solange es administrative Gewalt gibt, wird die einzige Emanzipation der Menschen im Widerstand liegen. Das bedeutet nicht, keine Utopie zu haben und nicht positiv zu diskutieren. Das hat damit nichts zu tun. Es ist ein großer Mangel unserer Zeit, daß wir theoriearm und utopieschwach sind. Aber ich denke mir, eine Utopie, die nicht den ständigen Widerstand des Unterdrückten miteinschließt, ist illusionär, ist religiös, mystisch abgeleitet. Sie schadet nur.

Letzte Frage. Reinhold, du bist ein wortgewaltiger Mensch. Wallmann und Konsorten, die ihr als Gewerkschafter beim letzten DGB-Neujahrsempfang gebührend empfangen habt, sagen, Du seist auch ein gewalttätiger Mensch. Stimmt das?

Wenn man Gewalt als etwas begreift, was mit bewußtem Willen materielle Veränderungen herbeiführen will, dann bin ich sicherlich ein Gewalttäter. Ich bin auch ein Gewalttäter, wenn ich täglich meine Arbeit mache, nämlich mit Arbeitskraft, Geist und Phantasie bewußt eingreife in die Produktion, aus einem unbedruckten Bogen Papier eine bedruckte Schachtel mache. Wenn man aber Gewalt so sieht, seine Interessen nur mit der physischen Vernichtung seines Gegners wahrzunehmen, dann bin ich allerdings kein Gewalttäter. Über Terror und ständige Unterdrückung von Widersprüchen wird nur neue Gewalt geboren. Es entsteht ein Kreislauf, der dem humanistischen Ziel von freien, emanzipierten Menschen zuwiderläuft.



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