Agenda-Tag

Polit fiction oder reality show, das ist hier die Frage

Ist das Hanau? Ist das das Jahr 1998?
Oder wo? Oder wann?

Lassen Sie sich in diesem Artikel von uns entführen. Entführen an einen Ort in Deutschland und in ein Jahr zwischen 1995 und 2005. Raten Sie mit, um welchen Ort und welches Jahr es sich handelt. Die Auflösung des Rätsels finden Sie unten auf dieser Seite (aber nicht vorher lunsen!)

Es ist ein Tag im Frühsommer. Nicht irgendein Tag, es ist Agenda-Tag. Die Wettervorhersage hat heute wieder Temperaturen von 30 bis 35 Grad Celsius vorausgesagt. Nein, das ist sicher nicht die Klimakatastrophe, es ist ganz einfach herrliches Wetter. Fast mediterranes Leben herrscht in dem kleinen Oberzentrum, einer Stadt mit weniger als 100.000 Einwohnern im Herzen Deutschlands. Es ist Samstagmorgen, kurz vor 10 Uhr und es kehrt erst allmählich Aktivität ein in diesen schönen Ort. Bis spät in die Nacht hinein pulste das Leben durch die Innenstadt, durch die Fußgängerzonen, das Herz der Stadt, in denen fröhliche KneipengängerInnen, RadfahrerInnen und vereinzelt auch Taxen das Leben bis gegen halb vier Uhr morgens bestimmten.

Jetzt aber öffnen die Straßencafes, die Weinstuben und die Biergärten. An den zentralen Stellen der Stadt, in den Fußgängerzonen und Fahrradparkplätzen stehen auch jetzt wieder zahllose Fahrräder. Einige davon wurden stehengelassen von den KneipengängerInnen der letzten Nacht (zu Fuß ist es doch sicherer als auf dem schwankenden Rad). Andere Räder gehören aber auch den Leuten, die den Samstagvormittag zum Einkaufen nützen, sei es in den großen Kaufhäusern wie C & A oder Hertie, sei es in den vielen kleinen Läden vom Bio-Bäcker bis zum Hanfladen, sei es auf dem Flohmarkt, sei es auf dem Bauernmarkt. Der Marktplatz heißt jetzt "Grüner Markt", nicht etwa, weil die Grünen die letzte Wahl gewonnen hätten (die Volksparteien haben immer noch 2/3 der Wähler hinter sich), sondern weil ein Umdenken begonnen hat. Und hier findet jeden Tag Markt statt, nicht nur samstags, an den übrigen Tagen aber nur von Direktvermarktern aus der Region. Frisches Obst und Gemüse der Saison, vollwertiges Gebäck und Fleisch vom Bioland-Bauern bestimmen das Angebot.

Aber all das gibt es an jedem Samstag. Dieser Samstag aber ist etwas besonderes: Agenda-Tag. Bereits seit Wochen sind überall in der Stadt die bunten Plakate zu sehen, die auf die Agenda-Woche, mit ihrem Höhepunkt, dem Agenda-Tag aufmerksam machen. Unter den Stichworten "Umwelt erleben" und "Agenda 21 - Heute für morgen handeln" fanden die ganze Woche bereits Veranstaltungen statt, von Radwanderungen zu den Brunnen und Wasserspendern der Stadt bis zur Recyclinghof-Besichtigung. Heute aber ist Agenda-Tag. Die auflagenstärkste Zeitung der Stadt bringt als Aufmacher auf Seite 1: "UMWELT erLEBEN - Aktionen rund um die Agenda 21".

Sehen wir uns an, worüber wir dort informiert werden. Gerade wird die Live-Musik auf der Bühne unterbrochen, denn der/die OB wird den Agenda-Tag offiziell eröffnen. Aus der Ansprache kann man erfahren, dass in der Stadt Vielfältiges zur Agenda 21 läuft, koordiniert vom Agenda-Büro in der Stadtverwaltung im Rathaus am Markt. Ursprünglich sollte das Agenda-Büro auf den zentralen Busbahnhof, etwa 200 m vom Markt entfernt, auf die Mittelinsel. Da das Agenda-Büro jedoch zum inzwischen 23-köpfigen Umweltamt der Stadt gehört, wäre dort nicht genug Platz. Auf dem Busbahnhof findet sich jetzt eine zentrale Beratung des Verkehrsverbundes sowie eine Bäckerei. Die Busse halten alle an einer großen Verkehrsinsel, dem "Terminal Mitte", die Fahrgäste warten unter Glasdächern oder zwischen Bäumen auf ihren Anschluss, die Busse sind vertaktet und große Anzeigetafeln zeigen wie in Flughäfen oder Bahnhöfen, wann welcher Bus wo abfährt.
Doch zurück zu dem Teil der Fußgängerzone, wo die Veranstaltungen und Informationen zum Agenda-Tag sind. Nicht nur das Agenda-Büro hat hier seinen Infostand, sondern weit über 50 Firmen, Betriebe, Organisationen, Vereine und Verbände, angefangen vom BUND bis zur örtlichen buddhistischen Initiative. Bei einigen Ständen werden wir etwas verweilen.

Da ist zum einen auffällig, dass an zwei Stellen Autos gezeigt werden. Was soll ein Auto mit Agenda 21 zu tun haben? Ist Autofahren nicht vielmehr das Kennzeichnen nicht nachhaltigen Lebenswandels? Nun, das Auto, das hier ausgestellt ist, gehört einem Verein namens "Ökobil e.V." und es geht um Carsharing. Carsharing, Autoteilen, ist die Alternative für alle diejenigen, die normalerweise, zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, aber gelegentlich doch ein Auto brauchen, z.B. weil etwas schweres zu transportieren ist. Für diese Personen ist Carsharing die wirtschaftliche und ökologisch korrekte Alternative. Bei dem anderen ausgestellten Fahrzeug handelt es sich um ein Solarauto, mit dem der "Wilde-Rose-Keller", ein Biergarten mit über 1000 Sitzplätzen, in den man sich seine Nahrung im Picknick-Korb mitbringen kann, wirbt. Direkt neben diesem Stand ist übrigens derjenige der "Interessengemeinschaft Autofreies Wohnen".

Etwas weiter finden wir einen Stand der R.O.S.A. gGmbh. Wer dahinter eine politische Gruppe oder die örtliche Schwulenszene vermutet, sieht sich getäuscht. Es handelt sich hier vielmehr um ein "Gebrauchtwarenhaus", das unter dem Motto "Aus Verantwortung für Mensch und Umwelt" wirbt. Kaufen kann hier jede/r, z.B. Möbel. Wer gebrauchte Möbel hat, die zum Wegwerfen zu schaden sind, ruft bei R.O.S.A. an. R.O.S.A. holt in Stadt und Landkreis die alten Sachen ab, vorausgesetzt, sie sind mit verwertbarem Aufwand wieder in verkaufsfähigen Zustand zu bringen, abgeholt werden nicht nur Möbel, sondern auch Spielsachen, Matratzen, Hausrat, Fahrräder, Sportartikel, Wasch- und Spülmaschinen, Herde, Fernseher, Büromaschinen usw. Dinge in sehr gutem Zustand werden genauso weiterverkauft, die übrigen von den Beschäftigten von R.O.S.A. wiederaufgearbeitet, auch Elektronikschrott wird (gegen Gebühr) angenommen und der Wiederverwertung oder dem Recycling zugeführt, die Zerlegung findet in einer eigenen Werkstatt mit Behinderten statt. Es handelt sich aber bei R.O.S.A. keineswegs um ein reines Behindertenprojekt, sondern Ziel des Betriebes ist es, Langzeitarbeitslosen eine ihren spezifischen Fähigkeiten entsprechenden sinnvollen Arbeitsplatz zu geben. Die Rechtsform von R.O.S.A. ist eine gemeinnützige GmbH, die keine Gewinne erwirtschaften darf, sondern nur ihren gemeinnützigen Zielen im sozialen und ökologischen Bereich verpflichtet ist.

Weiter geht unser Rundgang und wir kommen zum "Eine-Welt-Forum". Das "Eine-Welt-Forum" gibt auf dem Agenda-Tag Informationen über problematische Handelsbeziehungen zwischen den armen und den reichen Ländern, z. B. die Problematik der Altkleidersammlungen oder den Import ökologisch und sozial schädlicher Produkte wie Bananen oder Schnittblumen. Wer weiss normalerweise schon, dass Schnittblumen häufig aus Lateinamerika eingeflogen werden, was allein schon wegen der langen Transportwege mit dem Flugzeug zur CO-2- und Treibhausproblematik beiträgt. Außerdem werden in Lateinamerika riesige Mengen von Pestiziden für die Aufzucht eingesetzt, was nicht nur zur Boden- und Wasserbelastung beiträgt, sondern auch zu Allergien bei den ArbeiterInnen führt. Allein in Mittelamerika sind über 15.000 Menschen frühinvalid oder gestorben nur aufgrund der chemischen Behandlung eines einzigen Produktes für die reichen Länder: der Banane.

Auf unserem Rundgang kommen wir jetzt am Stand der DB vorbei weiter zum Infobereich des Agenda-Büros. Hier gibt es Buttons und Aufkleber, Stofftaschen und Kalender zum Thema "lokale Agenda 21 in unserer Stadt". Immer im Mittelpunkt steht dabei das Wahrzeichen der Stadt, ein bekanntes Denkmal. Die beiden auf diesem Denkmal Dargestellten sieht man in immer neuen witzigen Varianten, die Agenda 21 umzusetzen. Aber nicht nur solche Artikel der Sympathiewerbung finden man hier, es gibt auch Tips für jede/n Einzelne/n, was zu tun ist (agenda (lat.) = was zu tun ist). Und da das Stichwort "Agenda 21" ist, hat das Agenda-Büro 21 "Agenda-21-Tips" für eine zukunftsfähige Stadt erarbeitet. Hier eine Auswahl

Doch zurück zu unserem Rätsel. Entscheiden Sie sich jetzt, um welche Stadt und um welches Jahr es sich handelt. Nur so viel: die Stadt ist ein deutsches Oberzentrum mit zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern. Das Jahr ist zwischen 1995 und 2005. Wenn Sie sich für eine Stadt und ein Rätsel entschieden haben, dann lesen sie die Auflösung da.