Kultur der Gewaltlosigkeit
Die 9. Internationale INEB-Konferenz 1999
Venitia Walkey, übersetzt von Elke Heß

(...) Unser erster Eindruck im Sarvodaya-Zentrum, 20 Kilometer südlich von Colombo, war ein leuchtendes gelbes Banner, bedruckt mit dem Thema der Konferenz, hoch über den weißen Eisentoren angebracht und angestrahlt von den Scheinwerfern des Minibusses, der uns frühmorgens vom Flughafen dorthin brachte. (...)

Beim Frühstück am nächsten Morgen fiel uns sofort die leuchtend gelbe Wollmütze von Somdet Phra Maha Ghosananda ins Auge, einem Patriarchen aus Kambodscha und dem geliebten Patron und kalyanamitra (spiritueller Freund) des INEB. Die berühmte Kopfbedeckung, die Somdet vor der Kälte frühmorgens und abends schützt, ist für uns alle so etwas wie ein Maskottchen geworden, ein Leuchtfeuer in einer sich verdunkelnden Welt, das uns erin-nert, friedlich und Schritt für Schritt unserem angestrebten Ziel entgegenzugehen: dabei zu helfen, eine weltweite Infrastruktur für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit in der Dekade 2000 bis 2010 zu schaffen. ...

 Wir hatten das Privileg, als Gastgeber einen weiteren Helden des 20. Jahrhunderts zu haben, einen wahren noblen spirituellen Führer und Freund, Dr. A.T. Ariyaratne, den Gründer von Sarvodaya, einer humanitären Basisbewegung, die in ganz Sri Lanka aktiv ist.

 Unsere Tour begann am Vishva Niketan Friedenszentrum, das am Vortag mit einer Zeremonie eröffnet worden war. Das Zentrum wurde für Menschen aller Nationen gegründet, die dem Ideal inneren und äußeren Friedens durch das Erwecken der inneren Spiritualität in einer Atmosphäre der Ruhe und Erhabenheit und der Nähe zur Natur folgen wollen. 20 Steine von unterschiedlicher Höhe und Breite müssen quer durch einen von einem Bildhauer geschaffenen Teich beschritten werden, der zum Pavillon der Konzentration führt. So wird die Qualität der Achtsamkeit beschworen, wenn unsere Konzentration ins Wanken kommt. Später sollte dieser friedliche Platz mit dem Gelächter tibetischer Nonnen - die bei dieser Konferenz stark präsent waren - erfüllt sein, ausgelöst durch verschiedene das Be-wusstsein schärfende Übungen aus dem Westen, die damit begannen, dass alle lustige Geräusche machten.

 Drei angelegte Teiche grenzen an den Pavillon, die für die drei Gifte Gier, Hass und Verblendung stehen, vier Berge und ein Wasserfall. Acht Gehwege führen zu der runden Meditationsfläche, auf der 200 Menschen Platz haben und in deren Mitte der Ableger eines Bodhi-Baums gepflanzt wurde. Auf der Au-ßenwand sitzt ein großer weißer Buddha in der Meditationshaltung, flankiert von vier grobbe-hauenen Granitsäulen, die die vier Grundlagen der Achtsamkeit symbolisieren. Lotusteiche, Kräuter, Palmen und eine üppige Vegetation schirmen den Friedensgarten von der Welt ab, die außerhalb seiner Grenzen heult und knurrt. Bald sollen ein Friedensmuseum und eine Bibliothek für die Archive von Sarvodaya sowie eine Kunstgalerie entstehen. (...)
 Später am Abend leitete Somdet die Eröffnungszeremonie im Friedenspavillion.

 Die Konferenz begann am nächsten Tag sehr lebendig mit einem Gespräch zwischen Dr. Ariyaratne und Ajahn Sulak Sivaraksa über Buddhismus und Gewaltlosigkeit in einer Ära der Globalisierung, aus einer srilankischen und einer thailändischen Perspektive. Der Konsens war, dass die Selbstversorgung (Autarkie) in beiden Ländern sehr stark von der über die Medien verbreiteten Propaganda unterminiert wird, die die Vorzüge der Globalisierung preist und hinter der die multinationalen Konzerne stehen, aber auch von der Regierung und dem Privatsektor, die von der Globalisierung profi-tieren. Das lässt den Menschen wenig Macht, sich dem Ansturm der Globalisierung zu wider-setzen, sowohl moralisch als auch wirtschaftlich.

 Vor kurzem sprach Dr. Ariyaratne bei den Vereinten Nationen vor und bat um Hilfe für die NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die ohne Unterstützung arbeiten. Sarvodaya verstärkt die Sicherheit für die Menschen auf der Basis der Dorfgemeinschaft und baut eine neue Gesellschaft in 12.000 Einheiten aus jeweils zehn Gemeinden. Sie verteidigen sich gegen die Einflüsse des Materialismus und Konsumismus und benutzen dafür elektroni-sche Medien, um Netzwerke zu bilden und der geltenden methodologischen und strukturellen Ordnung entgegenzuwirken.

 Ajahn Sulak vertrat die Ansicht, dass Buddhisten keine Kompromisse eingehen dürfen, wenn es um Geschlechterdiskriminierung, die Polarisierung zwischen Reich und Arm, Starken und Schwachen und die immer präsenten Gefahren des Nationalismus und die Gewalt der wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung geht. Die neue Religion des Materialismus, die von den drei Grundübeln Gier, Hass und Verblendung bestimmt ist, vergiftet die Welt.

 Dr. Ariyaratne bevorzugt eine ganzheit-liche Herangehensweise, um für das Konzept des Teilens zu werben, einen Dialog in Gang zu setzen und den Unterdrückern mit liebender Güte (Metta) entgegenzutreten. Ajahn Sulak erzählte uns, dass er ein Arbeitskomitee gebildet hat mit dem Ziel, die Weltbank herauszufordern und sich der Arroganz derjenigen, die strukturelle Gewalt fördern, anzunehmen. So werden die Prinzipien des rechten Lebens kultiviert, indem man in der Welt lebt und gleichzeitig daran arbeitet, sie zu ändern.

 Anschließend moderierte Shelley An-derson (IFOR) das tragische Thema "Frauen in bewaffneten Konflikten". Es entfaltete sich die bekannte Litanei des Leidens, aber auch die Heldenhaftigkeit und die Transformation des Leidens dieser Frauen schimmerte durch ihre dunkle Geschichte. Es wird inzwischen immer mehr erkannt, dass Frauen eine Ressource für den Frieden sind. Paula Green sagte, dass die internationale Frauenbewegung Frauen ermächtigt habe, ihre Stimme zu erheben, Frauen, die traditionell zum Schweigen verurteilt sind. Frauen tragen die Hauptlast der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung bei Konflikten. Sie verlieren ihre Männer, müssen die Knappheit von Nahrung, Wasser und Brennstoff und den Zusammenbruch von Bildung und des Gemein-schaftslebens ertragen. Frauen sind die Ernährenden, diejenigen, die zuhören und verstehen. Sie haben einen wertvollen Beitrag (zum Frieden) zu leisten.

Tag 2

 Die Sitzung am Nachmittag war sehr interessant. Es ging um den "Pfad zum Frieden - eine politische Perspektive" in Bezug auf unser Gastgeberland Sri Lanka, vorgetragen von Professor Tissa Vitarana und Dr. Jehan Perera (Nationales Friedenskonzil). Professor Tissa umriss die Geschichte des ethnischen Konflikts in Sri Lanka. Dieser kann auf den Neid zurückgeführt werden, der durch die koloniale Politik des "teile und herrsche" entstand, als einem Teil der tamilischen Bevölkerung Privilegien zugestanden wurden. Als Folge entwickelte sich in der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ein Minderwertigkeitskomplex. Unter der Herrschaft der Briten wurde Englisch der Bevölkerung als erste Sprache aufgezwungen. Während Singhala bald wieder gesprochen werden durfte, galt dies für Tamil nicht. Noch schlimmer, es gab getrennte Bil-dungseinrichtungen für Tamilen und Singhalesen, so dass keine Interaktion möglich war und eine Brutstätte für Misstrauen und Feindschaft geschaffen wurde.

Die Nonnen aus Ladakh referierten über die sehr schwierigen Bedingungen für Nonnen in ihrem Land. Dort gibt es keine Einrichtun-gen für ihre religiöse Praxis und sie werden sowohl von ihren Familien als auch von den Mönchen als Dienerinnen ausgebeutet, so dass sie weder Zeit noch die Möglichkeit zum Studieren haben. Die Situation beginnt sich jedoch langsam zu verändern. Die Nonnen haben die LNA (Vereinigung der Nonnen Ladakhs) gegründet und ein altes Nonnenkloster wird res-tauriert, mit Hilfe eines hochangesehenen Rinpoche und der vollen Unterstützung seiner Heiligkeit des Dalai Lama, dem daran gelegen ist, die Bedingungen für die Nonnen insgesamt zu verbessern, die sich in einer solch bekla-genswerten Situation befinden.

Nonnen aus Kambodscha erzählten uns, dass es nur ein Ausbildungszentrum gibt, wo sie ein bis zwei Wochen, maximal einen Monat aufgenommen werden können. Die Nonnen sind vorwiegend ältere Frauen, und es ist schwer für sie, zu studieren. Sie möchten jungen Frauen den Weg ebnen, aber diese müssen in erster Linie ihre Familien unterstützen.

Ein wenig Erleichterung verschaffte ein von Oyuporn Khuankaew und Jill Jameson geleiteter Workshop zur Konfliktlösung für Nonnen, wo alle bei einem ausgelassenen Spiel ... Dampf ablassen konnten. Anschließend wurden Geschichten darüber ausgetauscht, wie potentiell gefährliche Situationen auf friedvolle Art und Weise entschärft wurden. (...) Jill Jameson beendete die Sitzung mit einigen nützlichen Tips für Konfliktsituationen. Am wichtigsten ist dabei die Fähigkeit, nicht nur zuzuhören, sondern still zu sein und nicht zu argumentieren, wenn die Gegenseite nicht zuhört. Nicht zu beschuldigen und Geduld zu üben, auch wenn wir provoziert werden.

Tag 3 (...)

Dr. Vinya Ariyaratne sprach über "40 Jahre Savordaya Shramadana Movement in Sri Lanka". Von Anfang an hat die Bewegung mit buddhistischen Mönchen zusammengearbeitet, um die Tempel und die Dorfgemeinschaft zum gegenseitigen Vorteil zusammenzubringen. Sarvodaya feierte 1998 ihr 40jähriges Bestehen, indem Mitglieder der Bewegung eine Weile in armen Dörfern lebten, um die Bedürf-nisse der Menschen dort besser zu verstehen. Buddhistische Hochschullehrer und Studenten entwickeln eine ökumenische Philosophie, die auf buddhistischen Prinzipien basiert.

Heute versucht Sarvodaya, ein mikroökonomisches Programm zu etablieren, um den wirtschaftlichen Status der Menschen auf der Grundlage des rechten Lebenserwerbs zu verbessern. Die Bewegung ist in 2.500 Dörfern aktiv. Ihr Ziel ist, gemeinsam mit der Dorfbevölkerung Entwicklungsbanken zu organisieren und spirituelle, moralische und ökonomische Werte zu entwickeln, auf denen soziale und politische Strukturen basieren sollen.

Tag 4

Die Nonnen standen noch einmal im Mittelpunkt, als sie uns erzählten, was es heißt, als buddhistische Nonne in Ladakh, Thailand und Sri Lanka zu leben.

Bikkhuni Wekada M. Bhadra sagte, dass die Nonnen in Sri Lanka bis vor kurzem nicht respektiert worden seien. Einen Durchbruch gab es, als eine gebildete buddhistische Laienpraktizierende sich als Bikkhuni in Birma ordinieren ließ. Zurück in Sri Lanka fand sie zahlreiche Anhängerinnen. Land wurde ge-spendet und ein Nonnenkloster gebaut. 1972 sprachen drei Nonnen bei Ministerpräsidentin Bandaraneike vor und erläuterten die Probleme der Nonnen, vor allem im Hinblick auf ihre Ausbildung. Die Ministerpräsidentin stellte Land zur Verfügung, und aus Deutschland kam finanzielle Hilfe. Es wurde ein Ausbildungsin-stitut für Nonnen gebaut. 1986 gab es einen Vorstoß, die volle Bikkhuni-Ordination wieder zum Leben zu erwecken, und sechs Nonnen ließen sich in Los Angeles ordinieren. 22 wurden 1998 in Bodhgaya ordiniert. Sie hoffen, dass alle Nonnen in Sri Lanka künftig die Möglichkeit zur Vollordination haben werden, um der Gesellschaft von Nutzen zu sein. Einige Mönche unterstützten die höhere Ordination der Nonnen, konnten dies aber nicht öffentlich tun, weil das buddhistische "Establishment" konservativ ist. Traditionell orientieren sich die Laien an den Mönchen, so dass sie in diesem Punkt nicht wissen, wie sie sich am besten verhalten sollen.

Die Einwilligung der Theravada-Bikkhus war bei der Vollordination durch koreanische Mönche (aus der Mahayana-Tradition) nötig. Sie rezitierten die acht Regeln und stimmten der Ordination zu. Dieses Ereignis machte Schlagzeilen in Sri Lanka: "Erst-mals seit 1.000 Jahren gibt es wieder einen Nonnenorden."

Bikkhuni Kusuma ist Professorin an der Universität und hoch angesehen. Im Süden werden Bikkhuni Varunee und ihre Nonnen von den Mönchen in 20 Klöstern als gleichberechtigt akzeptiert. In diesem Bereich hat es also große Fortschritte gegeben.

Abschlusszeremonie

Shelley Anderson dankte Martin Petrich für seine Zeit als INEB-Sekretär. ... Er hat Effizienz mit einem menschlichen Gesicht kombiniert und viel getan, um die Qualität der Arbeit von INEB zu verbessern.

(...) Wieder im Minibus auf dem Weg von Sarvodaya zum Flughafen, durch die Stra-ßen von Colombo. (...) Ganz vorne saß Somdet Phra Maha Ghosananda, seine Wollmütze auf dem Kopf, in friedlicher Koexistenz mit Elvis Presley und "Jail House Rock" und "Baby, you're mine", die aus dem Autoradio plärrten. Am Flughafen warteten die Nonnen in schlichtem Weiß auf ihren Flug, während die srilankischen Stewardessen wie Libellen in ihren bun-ten Kleidern herumschwirrten.

Wir haben viele Eindrücke mit nach Hause genommen. Aber hoffentlich verlieren wir nicht den ersten Eindruck aus dem Blick bei unserem Bemühen, eine Kultur des Frie-dens und der Gewaltlosigkeit für das nächste Jahrzehnt zu schaffen.


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