Die acht kilesas, diesmal: Zorn
Militarismus und Justizmißbrauch
von Santikaro Bhikkhu

Der Paliausdruck "kilesa" ist in etwa gleichbedeutend mit Ichbezogenheit, jedweder egoistischen Befleckung unserer grundlegenden Menschennatur. In dieser Serie zeigt Santikaro Bhikkhu, wie die Vermischung von persönlicher und struktureller kilesa die Dynamik ist, die das Rad des samsara sich weiter drehen lässt.
Santikaro ist amerikanischer Theravada-Mönch und Schüler von Ajahn Buddhadasa (Thailand), eines der Gründer des Netzwerks engagierter Buddhisten. Dieser Auszug ist aus dem Buch "Entering the Realms of Reality: Towards Dhammic Societies" (1997), erhältlich nur per Post (Bestellungen an Wisdom Books, London, Tel: 0181 520.5588).

Das Wort "Zorn" hat zahlreiche Synonyme - Aversion, Wut, Grimm, Übelwollen - was seine Popularität beweist. Sind wir zornig, wol-len wir zuschlagen, verletzen, zerstören oder töten, gleich ob es sich um eine Mücke handelt oder den Klassenrabauken, um Leute, die wir sozial ablehnen oder um einen unangenehmen Politiker. Wenn wir "die Anderen" als Objekte betrachten und entscheiden, wir mögen "die" nicht, weil sie anders sind, weil sie etwas besit-zen, das wir selbst haben möchten, oder weil wir die Erregung und das prickelnde Gefühl daran kultivieren, dann manifestiert sich Zorn. Gesellschaftlich nimmt Zorn die strukturelle Form des Militarismus an: die Armeen, Ge-heimdienste, Spionagesatelitten, Atomkraft, zentralisierte Infrastruktur und der nationale Sicherheitsapparat unserer modernen National-staaten. Wir erschaffen diese Institutionen und Technologien, um uns selbst zu schützen vor "den Anderen", aber tatsächlich werden sie öf-ter aggressiv eingesetzt und häufig ist das Motiv dahinter Zorn. In der Mehrheit aller Staaten werden sie gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt, die zu schützen sie vorgeben.

Wir haben reichhaltige Technologien, wir können unvorstellbare Dinge erreichen in der Raumfahrt, Atome spalten und haben riesige wissenschaftliche Macht angesammelt. Aber wozu setzen wir diese Dinge ein? Wir benutzen sie, um die Befleckungen voranzutreiben, wie wir besonders deutlich an den Leuten sehen, die versuchen, die Welt zu kontrollieren (Buddhadasa Bhikkhu).

Die Struktur des Militarismus ist historisch eng verbunden mit wirtschaftlichen Interessen, in der modernen Welt mit dem Kapitalismus und mit den meisten politischen Strukturen, ob links oder rechts. Dieser Militarismus - natio-nal, regional (z.B. die NATO) und global - ist insgesamt eine Manifestation des Zorns.

Struktureller Zorn zeigt sich ebenso in unseren sog. "Justizsystemen", welche viele Länder benutzen, um diejenigen in Schach zu halten, denen es gesellschaftlicher Macht ermangelt. In vielen Fällen sind diejenigen, die be-straft werden, die Armen, die Minoritäten und die Frauen. Wenn z. B. in den USA ein Mann seine Ehefrau tötet, kommt er häufig innerhalb von fünf Jahren aus dem Gefängnis wieder frei, wenn aber eine Frau ihren Ehemann tötet, selbst wenn der sie jahrelang verprügelte, wird sie für 20 Jahre hinter Gefängnismauern verschwinden - mit geringer Chance auf vorzeitige Strafaussetzung. Auch die scharfe Behandlung von farbigen Männern durch die Polizei und Gerichte steht in völligem Mißverhältnis zu den Taten, die ihnen vorgeworfen werden. Besser könnte man dieses System als "Justizmissbrauchssystem" bezeichnen.

In den USA zielt das Justizmissbrauchssystem darauf ab, Straftäter zu bestrafen, und das obwohl Gefängnisse die teuerste und am wenigsten effektive Methode der Verbrechensver-hütung sind. Um das System auf die Spitze zu treiben, verleihen viele Gefängnisse die Gefan-genen als Arbeiter und behalten den größten Teil des Lohnes ein. Es scheint, dass die Sklaverei wieder Einzug gehalten hat im "Land der Freiheit", ungeachtet der Beschuldigung die (von den USA) gegen China erhoben werden wegen dortiger Zwangsarbeit. Obwohl es in den vergangenen Jahrhunderten Fortschritte zumindest in einigen Ländern gegeben hat, z.B. durch die Menschenrechtsbewegung und durch den Druck der indigenen Völker, bleiben Unge-rechtigkeiten, ob geschickt verpackt in den sog. "Demokratien" oder exportiert in die "Entwicklungsländer".
Solange Justiz auf der Logik der Bestrafung - sprich: Rache - beruht, bleibt sie eine Struktur des Zorns.



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