Heft 2:
Cyborg oder Buddha
der gemachte und der erwachte Mensch

von Franz-Johannes Litsch

Heftbesprechung von Horst Gunkel


Es ist ein wunderschönes Heft, das wir Franz-Johannes Litsch zu verdanken haben. Seine engagierte Art in wohlgesetzten Worten lässt uns das nachvollziehen, was ihn bewegt hat, als er diese buddhistische Kritik an den modernen Reproduktionsmethoden schrieb.

Wer Litschs Aufsätze „Ich und die Welt – Mitwelt“, „Kann uns eine neue Ethik retten“ oder „Aus tiefem Leiden entsteht tiefes Mitgefühl“ (alle in der Werkstattreihe sozial, humanitär und ökologisch engagierter Buddhismus, Heft 1, veröffentlicht). Der kann nachvollziehen, zu welch eindrucksvoller Sprache der Autor fähig ist. In „Cyborg oder Buddha“ hat er, so finde ich, sich selbst noch übertroffen: ein Panoptikum der Gefahren tut sich vor dem Auge des Lesers auf, aber auch die Tür zur Hoffnung wird aufgestoßen: es gibt eine Alternative, den spirituellen Weg, neben der Zukunft als Cyborg ist auch das spirituelle Wachstum eine Option für uns, daher der Titel „Cyborg oder Buddha“.

Klar gegliedert geht Franz-Johannes Litsch an das Thema heran: „Vom Geist gehen die Dinge aus, vom Geist beherrscht, im Geist gemacht“, mit diesem Zitat aus dem Dhammapada beginnt Litsch das erste Kapitel „Der Mensch schafft sich selbst“ und zeigt auf, wie wir das Produkt eines kulturellen Selbstschöpfungsprozesses sind. Im Abschnitt „Der Übermensch“ zeigt Litsch auf, wie das Denken der modernen Reproduktionstechnologien aus dem gleichen perversen Gedankengut hervorgeht wie der Rassenwahn Hitlers: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ bekommt in diesem Zusammenhang eine ganz neue, erschreckende Bedeutung. Nahtlos daran an schließt sich im Abschnitt „Der gezüchtete Mensch“ die Vision von der Vollendung des Geschlechterkampfes: im Dienste der Profite wird „Mutter Natur“ als unterlegen gegenüber dem „Designer-Sperma“ geoutet, befürchtet der Autor und sieht die Vollendung des 3000-jährigen patriachalischen Kampfes gegen die Macht der Mütter gekommen.

Weitere Parallelen zur Euthanasiepolitik der Nazis beschreibt auch der Abschnitt „Der selektierte Mensch“ und weist auf erschrecken-de Beispiele aus den USA und China hin. Auch im Kapitel „Der Elitemensch“ werden rechtsra-dikale Verirrungen von der „Festung Europa“ bis zum „Zarathustra-Projekt“ zu Zeugen einer perversen Politik.

Neben diesen Gefahren, die sich aus einem faschistischen Gedankengut ergeben, macht der Autor mit dem Profitdenken die zweite Säule einer unheilvollen Gentechnik aus: Im Ab-schnitt „Der ökonomisierte Mensch“ untersucht er die Sachzwänge vor dem Hintergrund des gültigen Paradigmensystems. Die Gespenster „Standortdebatte“ und „Sozialstaatsreform“ zeigen auf, wie das o. g. faschistischen Gedankengut mit dem Zeitgeist eine perverse Verbindung eingeht: „Das Geschäft Mensch“ heißt folgerichtig der nächste Abschnitt. Von da an leitet Litsch zu den Perversionen der Organ-transplantationen über, deren Spender häufig entweder durch wirtschaftliche Zwänge oder durch staatliche oder mafiöse Organisationen zur „Spende“ gezwungen werden. In den nächsten Kapiteln lässt Litsch den Cyborg tatsächlich auferstehen: perfekter als die Sagengestalt aus Prag und die Visonen im Frankenstein-Mythos erschafft der Mensch den Übermenschen, den Roboter, in dem wir uns selbst, die Vision unseres perfekten „Ich“ als reales Objekt schaffen.

Spätestens an dieser Stelle kann sich Kultur-pessimismus einstellen, kann der verängstigte Leser, die verschreckte Leserin, ob der Auswegslosigkeit einer solchen Zukunftsvision in Mutlosigkeit versinken. Daher kommt dem letzten Abschnitt dieses Heftes „Der erwachte Mensch“ besondere Bedeutung zu. Es gibt eine Alternative, so Litschs Erkenntnis: der Mensch braucht einen „neuen Quantensprung in seiner Entwicklung, einen Sprung in der Entfaltung seines Geistes, der Verwirklichung seines Potentials.“ Und das besonders schöne an dem Schluss ist, dass Litsch nicht wie die „Seelsor-ger“ im Wort zum Sonntag mit einem realen Problem anfängt und dann plötzlich die Kurve bekommt um uns den deus ex machina als Löser aller unserer Probleme anzubieten – eben Gott (oder Buddha) als äußeren Heilsbringer, nein es wird deutlich, dass wir diese Entwicklung selber vollziehen müssen. Litsch bezieh das Erwachen nicht notwendigerweise allein auf den Weg über Buddha, er weist auf Jesus und andere Vorbilder für das Erwachen, für „zu sich selbst kommen“. Deshalb kann man das Heft guten Gewissens auch an Nichbuddhisten geben, ohne dass es wie blindes Missionieren wirkt – trotz des Titels. Es vermittelt dem Leser, der Leserin tiefe Einblicke über die Perversität einer aktuellen Entwicklung und zeigt dennoch Auswege auf; es transportiert unaufdringlich buddhistisches Denken und setzt dieses als ein Angebot neben andere Wege einer wahren Religion, der „religio“, der Rückbindung.

Ich habe mir gleich mehrere Hefte gekauft und verwende sie als „kleine Aufmerksamkeiten“ für Freundinnen und Freunde. Als kleines Geschenk das dreifach Sinn macht: es warnt vor Fehlentwicklungen, zeigt unaufdringlich buddhistische Gedankenansätze und hilft Mensch und Mitwelt, da der Reinerlös für Projekte des engagierten Buddhismus verwendet wird. Das Heft kostet EUR 4,--.

Die Entscheidung „Buddhistische Hefte des ÖkoBüro Hanau“ herauszugeben wurde übrigens mit dadurch beeinflusst, dass sehr gute, sprachlich und inhaltlich ausgefeilte Aufsätze in Zeitschriften nicht vollständig abgedruckt werden können. So mussten sowohl die Lotusblätter als auch der Engagierte Buddhismus Franz-Johannes Litsch mitteilen, dass in diesen Periodika nur eine gekürzte Version veröffentlicht werden könnte. Die „Buddhistischen Hefte des ÖkoBüro Hanau“ bieten da neben der „Werkstattreihe sozial, humanitär und ökologisch engagierter Buddhismus“ eine gute Alternative.
 
Bestellen kann man das Heft hier: Buddhistische Bücher



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